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Polymyalgia Rheumatica

Epidemiologie

Die Polymyalgia rheumatica (PMR, Polymyalgie) ist eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die häufig mit Riesenzellarteritis (Arteritis temporalis) assoziiert ist. Die Erkrankung tritt praktisch nur in Personen jenseits des 50. Lebensjahres auf und hat in dieser Altersgruppe eine relativ hohe Prävalenz von ca. 1%. Deutliche regionale Unterschiede in der Prävalenz, wie z.B. ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle, sind jedoch auffallend.

Klinische Präsentation

Die typische Präsentation, die an eine PMR denken läßt, wäre ein Patient mit fortgeschrittenes Alter (zumindest >50 Jahre), mit subakut bis chronisch aufgetretenen Schmerzen und Steifigkeit im Schultergürtel, Beckengürtel, Hals und Stamm, die typischerweise symmetrisch auftreten. Patient:innen berichten oft über Schwierigkeiten bei alltäglichen Tätigkeiten, wie z.B. Körperpflege, Strümpfe anziehen u.ä. Oft ist ausgeprägtes Krankheitsgefühl gegenwärtig mit subfebrilen Temperaturen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Hohe Fieberzacken sind dabei nicht typisch und sollten bei entsprechender Klinik immer auch an die Arteritis temporalis denken lassen, v.a. wenn das Alter noch weiter fortgeschritten ist (Durchschnittsalter der Arteritis temporalis bei Auftreten: ca. 72 Jahre; s.u.). Nicht unüblich sind bei der PMR auch synovitisch geschwollene periphere Gelenke, die die Unterscheidung zu primär entzündlichen Gelenkerkrankungen, wie der rheumatoiden Arthritis oft schwierig machen, oder diffuse Schwellung („pitting edema“) der Weichteile der Extremitätenperipherie. Die Synovitis ist jedoch spontan, aber zumindest auf Therapie mit Steroiden rasch reversibel.

Diagnose der PMR

Typischerweise werden vier Kriterien für die Etablierung der Diagnose PMR herangezogen:

  • Alter > 50 Jahre: Alter ist der größte Risikofaktor für die PMR. Es finden sich (wie auch bei der Riesenzellarteritis) praktisch keine Fälle von Patient:innen unter dem 50. Lebensjahr.
  • Beidseitiger Schmerz und Steifigkeit im Schulter- und Beckengürtel inkl. Oberarme und Oberschenkel, am Hals oder am Stamm: eine Muskelschwäche ist nicht typisch für Patient:innen mit PMR, diese kann sich aber in chronischen Formen manifestieren, wenn Muskelatrophie hinzukommt. Zusätzlich ist relativ oft eine Synovitis anzutreffen, manchmal auch begleitet von Ödemen der Hände oder Füße.
  • Blutsenkungsgeschwindigkeit (Westergren) > 40mm/h: selten finden sich auch niedrigere Werte, meist ist aber zumindest einer der Akutphasenmarker erhöht, z.B. C-reaktives Protein oder Interleukin-6. In diesen Fällen ist als Verlaufsmarker auch jener Marker hinzuzuziehen, der die Inflammation am besten erfasst. Weitere Laboruntersuchungen sind in der Regel nicht hilfreich, und die Patient:innen zeigen kein spezifisches immunserologisches Profil, sie sind z.B. typischerweise seronegativ für Rheumafaktor, antinukleäre Antikörper und ANCA.
  • Promptes Ansprechen auf Therapie mit Steroiden: Dieses Kriterium wird von vielen nicht als vollwertiges erachtet, die rapide Besserung ist in der klinischen Praxis jedoch oft differentialdiagnostisch wertvoll.

Andere bildgebende Untersuchungen, wie z.B. MRT der Gelenke, geben meist keine zusätzlichen Ausschlüsse.

PMR und Riesenzellarteritis

Ca. 15% der Patient:innen mit PMR entwickeln über die Zeit auch eine Riesenzellarteritis (auch Arteritis temporalis, engl. „giant cell arteritis“, GCA). Umgekehrt findet sich bei 50% der Patient:innen mit der Diagnose GCA auch eine Polymyalgia rheumatica.

Die GCA ist eine chronische Vasculitis der großen und mittelgroßen Gefäße. Die Präsentation der GCA ist typischerweise systemisch und mit potentiell ausgedehntem Gefäßbefall. Dennoch ist die Beteiligung der kranialen Gefäßäste, die dem Aortenbogen entspringen die häufigste Präsentationsform.

Charakterisiert ist die GCA durch Kopfschmerz, welcher oft lokalisiert auftritt, sowie druckschmerzhafte und abgeschwächt pulsierende Temporalarterien, eine hohe Blutsenkungsgeschwindigkeit (>50mm/h) in älteren Patient:innen (die Erkrankung tritt vor dem 50. Lebensjahr praktisch nicht auf; Durchschnittsalter bei Diagnose: 72 Jahre!). Histologisch zeigt sich eine typischerweise nekrotisierende Arteritis mit Dominanz mononukleärer Zellen oder eine granulomatöse Entzündung mit den namensgebenden, multinukleierten Riesenzellen. Bei Patient:innen mit reiner PMR ohne auf GCA hinweisende Symptome ist eine Biopsie der Temporalarterien meist von relativ wenig Erfolg gekrönt. Andererseits ist die Prävalenz einer subklinischen Inflammation der großen Gefäße wahrscheinlich deutlich höher als allgemein vermutet. In den meisten Patient:innen mit PMR findet sich daher in Untersuchungen wie der Positronenemissionstomographie (PET-Scan) ein vermehrter Uptake der radiomarkierten Glucose im Bereich der großen Gefäße, jedoch ist die klinische Relevanz solcher Befunde nicht ganz klar. Möglicherweise könnten solche Patient:innen von einer noch höherer therapeutischer Dosis an Glukokortikoiden profitieren.

In jedem Fall ist die am meisten gefürchtete Komplikation der GCA der akute Visusverlust, oft durch Verschluss der zentralen Retinalarterie. Bei Patient:innen, die mit partiellem oder totalem Visusverlust präsentieren, ist eine sofortige intravenöse Therapie mit höchsten Dosen Methylprednisolon indiziert. Bei Patient:innen mit GCA ohne Visuseinschränkungen liegt die typische Anfangsdosis von Prednisolon bei täglich 40–60mg.

PMR und Malignome

Es exisitiert per se keine Assoziation zwischen der reinen PMR und Malignomen. Nichtsdestrototz können polytope Myalgien und Arthralgien im Rahmen von paraneoplastischen Syndromen häufig der PMR ähneln. Typischerweise unterscheiden sich solche paraneoplastischen Schmerzen von der PMR durch das fehlende Ansprechen auf Therapie mit Steroiden. Dies ist oft auch differentialdiagnostisch hilfreich.

Weiters sind auch Patient:innen mit einem Multiplem Myelom, die sich mit Knochenschmerzen und hoher Senkung präsentieren können, nicht immer leicht von der PMR zu unterscheiden.

Therapie der PMR

Die zentrale Therapie der PMR sind die Kortikosteroide. Trotz dieser Tatsache herrschen immer noch keine einstimmigen Richtlinien zum Einsatz dieser Medikamente. Es reichen jedoch üblicherweise relativ geringe Dosen, etwa 7,5–20mg, aus, um eine einschlagende Symptomlinderung zu erzielen. Die Häufigkeit von Rückfällen ist jedoch groß, was meist durch eine zu rasche Reduktion der Steroiddosis bedingt ist. Diesbezüglich kann als Daumenregel eine Reduktion von 10% der Dosis alle 2 Wochen angestrebt werden, und ab einer Dosis von 10mg dann äußerst vorsichtig mit Reduktionen von nicht mehr als 1mg/Monat. Das Bedürfnis, Kortison zu reduzieren, muss hier dem Risiko einer erneuten, höher dosierten Therapie bei Auftreten eines Schubs, gegenübergestellt werden. Immerhin treten solche Schübe in 25–50% der Patient:innen auf. Bei der Riesenzellarteritis, die ja initial mit höheren Dosen behandelt wird, kann dieselbe Faustregel angewandt werden.

Häufig wird Methotrexat als Basis-Immunsuppression eingesetzt mit dem Ziel zur Reduktion des Steroidbedarfs über die Zeit. Leider ist die Datenlage bezüglich des Nutzens von Methotrexat sowohl bei Polymyalgia rheumatica, als auch bei Riesenzellarteritis kontroversiell, und Methotrexat ist daher für die wenigsten Patient:innen mit diesen Krankheitsbildern indiziert.

Ein häufig angetroffenes Problem ist die Beurteilung der Krankheitsaktivität über die Zeit. Im einfachsten Fall ist dies durch die Kombination von klinischen Beschwerden und Messung von Akutphasenparametern zu erreichen. Hierbei ist nicht nur ausschließlich die Blutsenkungsgeschwindigkeit hilfreich, sondern es kann diese auch durch das C-reaktive Protein ersetzt werden, falls die Blutsenkung in bestimmten Patient:innen nicht erhöht ist. Weitere Akutphasenmarker, wie Interleukin-6 können zusätzliche Information liefern.

Zusammenfassung

Die Polymyalgia rheumatica ist eine gutartige rheumatische Systemerkrankung, die aufgrund ihrer ausgeprägten entzündlichen Aktivität meist von Myopathien anderer Genese problemlos unterschieden werden kann. Die PMR hat von Natur aus einen selbst-limitierenden Charakter und zeigt keine erhöhte Mortalität. Sie zeigt eine Assoziation mit Vaskulitis der größen Gefäße, der Reisenzellarteritis. Diese kann potentiell sehr schwerwiegende Folgen haben, wenn durch Augenbeteiligung ein inkompletter oder sogar vollständiger Visusverlust eintritt. Bei der Therapie der PMR und Riesenzellarteritis stehen Cortikosteroide im Mittelpunkt, wobei ein wesentliches Augenmerk auf eine entsprechend vorsichtige Dosisreduktion gelegt werden muss, um Schübe der Erkrankung zu vermeiden.

Univ.-Prof. Dr. Daniel Aletaha