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Reaktive Arthritis

Definition

Es bezeichnet eine „Arthritis, die kurz nach einer Infektion an einer anderen Stelle im Organismus auftritt, bei der aber die Mikroorganismen nicht aus dem Gelenk isoliert werden können“ (1). Auch die klassische „Trias“ postinfektiöse Arthritis, Urethritis und Conjunctivitis bezeichnet man heute als Reaktive Arthritis. Diese Erkrankungen gehören zur „Familie“ der Spondyloarthritiden, da sie mit undifferenzierter Spondyloarthritis, ankylosierender Spondylitis (M. Bechterew), Psoriasisarthritis und den mit chronischen Darmerkrankungen assoziierten (Spondylo-)Arthritiden viele Gemeinsamkeiten haben.

Häufigkeit und Vorkommen

Die ReA tritt meist bei jüngeren Erwachsenen auf und betrifft Frauen und Männer etwa gleich häufig.

Pathogenese

Die Pathogenese der Gelenksentzündungen ist nicht völlig geklärt. Als möglicher Faktor wird die erhöhte Schleimhautpermeabilität im Darm oder im Harntrakt angesehen. Die dadurch entstehende erhöhte Exposition gegenüber bakteriellen oder anderen Antigenen führt zu Immunreaktionen im Gelenk. Auch Verlust der Toleranz gegenüber eigener (Darm-)bakterieller Flora könnten eine Rolle spielen.

Auslöser

Die Infektionen, die die ReA auslösen, betreffen charakteristischerweise den Darm und den Urogenitaltrakt. Demzufolge findet man folgende Darmbakterien:

  • Salmonellen unterschiedlicher Serotypen
  • Yersinien (Y. enterocolitica 0:3 und 0:9, Y. pseudotuberculosis)
  • Shigellen (S. flexneri, dysenteriae und sonnei)
  • Campylobacter, im Speziellen Campylobacter jejuni
  • Clostridium difficile

Unter den urogenitalen Infektionsauslösern ist lediglich Chlamydia trachomatis als Ursache einer ReA zweifelsfrei anerkannt.

Diagnose

Die Identifikation einer solchen Infektion nicht immer leicht, sodass für den klinischen Gebrauch multiple Begriffe, diagnostische und Klassifikationskriterien vorgeschlagen worden sind (2). Leider ist keiner dieser Kriteriensätze ausreichend validiert, sodass in einem Konsensfindungsprozess folgende Charakteristika identifiziert wurden (3):

  • Typisches Gelenksmuster
    Die typische ReA ist asymmetrisch und betrifft ein einzelnes oder nur wenige Gelenke (Mono- oder Oligoarthritis). Meist sind die großen Gelenke der unteren Extremität betroffen, Beteiligung der Wirbelsäule ist häufig
  • Extraartikuläre Manifestationen
    Außer den Symptomen der auslösenden Infektion finden sich regelhaft (wenn auch nicht immer) Zeichen einer Mitbeteiligung von Sehnenansätzen (Enthesitis), Haut, Augen, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt
  • Intervall zwischen Infektionssymptomen und dem Beginn der Arthritis
    Zumindest einige Tage und typischerweise nicht mehr als etwa vier Wochen 
  • Infektion mit typischen auslösenden Keimen
    Neben klassischen Auslösern wie Chlamydien, Yersinien, Salmonellen und anderen wird eine Vielzahl anderer Keime mit ReA in Verbindung gebracht.

Klinik

Charakteristisch ist eine asymmetrische Oligoarthritis, häufig an den unteren Extremitäten. Allerdings sind Arthritis der oberen Extremität und/oder Polyarthritis auch kleiner Gelenke nicht selten (bis zu 50%) (4).

Symptome der Enthesitis sind Schwellung der Fersen (Achillessehnenbursitis und -enthesitis) und die sogenannten Wurstfinger bzw. -zehen. Andere, klinisch schwerer identifizierbare Lokalisationen der Enthesitis sind die Symphyse oder der Beckenkamm.

Extraartikuläre Manifestationen der ReA umfassen Urogenitaltrakt-Symptome, Conjunctivitis, Uveitis, orale Ulcera und Hautmanifestationen wie Keratoderma blennorrhagicum (hyperkeratotische Läsionen and Handflächen oder Fußsohlen), Balanitis circinata und Nagelveränderungen ähnlich denen bei Nagelpsoriasis. Genitale Läsionen sind nicht spezifisch für die ReA. Dysurie oder Schmerzen im Beckenbereich können Anzeichen für eine sterile Urethritis sein.

Diagnostische Methoden – Infektnachweise

Labortests können manchmal eine vorausgegangene oder noch bestehende Infektion mit einem der typischen Keime bestätigen. Allerdings liegt die Trefferquote bei maximal 50%, da oft der auslösende Keim bereits eliminiert ist oder die Kultur bzw. die Serologie ein („falsch“) negatives Resultat zeigt. Als geeignete Tests werden Stuhlkulturen (ev. auch bei fehlenden gastrointestinalen Symptomen) und Chlamydientests aus Urethra- und Vaginalabstrich oder Harn (basierend auf DNA-Amplifikation, wie die Ligasenreaktion) angesehen.

Serologische Untersuchungen hinsichtlich Yersinien, Salmonellen, Campylobacter und Chlamydien können hinweisend sein, allerdings ist die asymptomatische Durchseuchung der Bevölkerung sehr hoch, sodass oft keine Rückschlüsse auf eine rezente Infektion getroffen werden können.

Prognose

Die Prognose der ReA ist prinzipiell gut. Die meisten Patient:innen sind nach etwa 6 Monaten (mit oder ohne spezifische Therapie, siehe unten) weitgehend beschwerdefrei. Nur 4–19% der PatientInnen mit durch Yersinien, Salmonellen, Shigellen und Chlamydien ausgelösten ReA in einer finnischen Studie hatten Beschwerden nach über 6 Monaten (5), obwohl nicht klar ist, ob dieses Resultat auch für andere Populationen gilt. Insbesondere für diese Minorität der Betroffenen, die unter einer chronischen ReA leiden (definiert durch eine Dauer der Beschwerden von über 6 Monaten) ist die Einleitung einer Dauertherapie mit DMARD sinnvoll.

Therapie

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) sind die Basis der symptomatischen Therapie in der akuten Phase der Erkrankung(en). Es wird empfohlen, zumindest 2 Wochen lang mit einer wirksamen Dosis (z.B. 500–1500 mg Naproxen oder 100–150 mg Indomethacin/Tag) zu behandeln, bevor andere Medikamente eingesetzt werden sollten. Auch Glucocorticoide, insbesondere intraartikulär, haben einen guten Effekt bei einer großen Anzahl von Patient:innen.

Bei Persistenz der Arthritis über mehrere Wochen trotz der genannten unspezifischen Maßnahmen wird der Einsatz von krankheitsmodifizierenden Medikamenten („Basistherapeutika“ oder DMARDs) empfohlen. Mittel der ersten Wahl scheint Sulfasalazin zu sein, das in einer kontrollierten Studie signifikant besser als Placebo war (6). Für die anderen DMARDs oder die Biologika gibt es, obwohl sie großteils für Erkrankungen aus der Gruppe der Seronegativen Spondyloarthropathien wie M. Bechterew oder Psoriasisarthritis zugelassen sind, bemerkenswerterweise keine publizierten Resultate zu ihrer Wertigkeit bei (chronischer) ReA.

Antibiotika haben im Prinzip keine Wirkung gegen die Arthritis, werden aber empfohlen, wenn es Hinweise auf Persistenz des Infekts gibt. Bei aktiver enteraler oder urogenitaler Infektion sind die infektiologischen Empfehlungen in Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten zu beachten. Im Allgemeinen sind unkomplizierte enterale Infekte nicht behandlungsbedürftig, außer bei immunkompromittierten Patient:innen. Im Gegensatz dazu sollten aktive Chlamydieninfektionen stets unter Einbeziehung der Partner behandelt werden. Dieses Vorgehen könnte auch die Entstehung einer ReA verhindern.

Einzelne Berichte postulierten günstige Effekte von Tetracyclinen auf chronische ReA ohne Hinweise auf aktive Infektion. Allerdings wurden diese Beobachtungen nicht eindeutig reproduziert, sodass derzeit von einer Antibiotikatherapie in diesen Fällen abgeraten wird.

Zur Messung des Behandlungserfolges können, ähnlich wie bei der chronischen Polyarthritis, die Zahl der geschwollenen und schmerzhaften Gelenke, die Schmerz- und Krankheitsaktivitätsbeurteilung der Patient:innen sowie das CRP herangezogen werden (7).

Referenzen

  1. Ahvonen P, Sievers K, Aho K. Arthritis associated with Yersinia enterocolitica infection. Acta Rheumatol Scand 1969; 15(3):232-53.
  2. Hannu T, Inman R, Granfors K, Leirisalo-Repo M. Reactive arthritis or post-infectious arthritis? Best Practice & Research in Clinical Rheumatology 2006; 20(3):419-33.
  3. Braun J, Kingsley C, van der Heijde D, Sieper J. On the difficulties of establishing a consensus on the definition of and diagnostic investigations for reactive arthritis. Results and discussion of a questionnaire prepared for the 4th International Workshop on Reactive Arthritis, Berlin, Germany, July 3-6, 1999. J Rheumatol 2000; 27(9):2185-92.
  4. Leirisalo-Repo M. Reactive arthritis. Scandinavian Journal of Rheumatology 2005; 34(4):251-9.
  5. Leirisalo-Repo M, Sieper J. Reactive arthritis: epidemiology, clinical features, and treatment. In: Weisman MH, van der Heijde D, Reveille JD, editors. Ankylosing spondylitis and the spondyloarthropathies. Philadelphia: Mosby Elsevier; 2006. 53-64.
  6. Clegg DO, Reda DJ, Weisman MH, Cush JJ, Vasey FB, Schumacher HR et al. Comparison of sulfasalazine and placebo in the treatment of reactive arthritis (Reiter's syndrome) - A Department of Veterans Affairs cooperative study. Arthritis Rheum 1996; 39(12):2021-7.
  7. Eberl G, Studnicka-Benke A, Hitzelhammer H, Gschnait F, Smolen JS. Development of a disease activity index for the assessment of reactive arthritis (DAREA). J Rheumatol. In press 1998.